Fick dich, Schneewittchen

Auf den ersten Blick bin ich ungeheuer sympathisch.

Ich habe Charme und Charisma. Ich bin redegewandt, humorvoll, cool, selbstsicher, begehrenswert und ziehe Blicke und Aufmerksamkeit magisch an. In deinen Augen macht mich das attraktiv.

Ich bin dein Prinz Charming.

Bin ein Star.

Scheinwerfer-Junkie.

Lebe vom Applaus, vom Fame, von Likes, vom Zuspruch und von Bewunderung.

C'mon, himmel mich an! Vergöttere mich!

Mein Geltungsdrang ist eine Droge, die ständig eine höhere Dosierung braucht, um mich zu ficken.

Denn ich bin Gefühlslegastheniker. Ich bin Mr. Alexithymie.

Ich suche keine tiefe zwischenmenschliche Nähe, dafür fehlt mir das Vertrauen.

Ich missbrauche dich. Du bist der Co-Narzisst. Du bist meine narzisstische Versorgungs-Pipeline, von der ich emotional zehren kann.

Ich war dein Farmer. Habe dich gedüngt mit meinem Samen, meiner Lust, meinem nährenden Speichel. Ich gab dir Existenz.

Ich war deine Supernova, strahlender als die Sonne. Im Vergleich zu mir wirkt die Sonne lächerlich dunkel. Du erwuchst nicht aus Sonnenkraft, sondern aus Sternenglanz. Du warst besser als die anderen Pflänzchen: robuster, genetisch optimiert, weniger anfällig gegenüber Parasiten.

Ich manipuliere dich so lange, bis du leer bist und dir nichts anderes übrig bleibt, als die Versorgung einzustellen.

Du blutest. Endlich.

Ich ziehe mir daraus eine Line. Lecke meine Ernte auf, werde high davon, der beste Trip seit langem.

Es war zu viel für das kleine Schneewittchen. Es ist ganz blass.

Das Land liegt brach. Es braucht jetzt Ruhe, Rehabilitation, Rekonvaleszenz. Für ein paar Wochen – vielleicht auch nur ein paar Tage –, denn ich bin gierig. Ich brauche meinen Stoff. Die Tropfen sind getrocknet. Ich brauche etwas Frisches, das mein Herz und meinen Intellekt fickt.

Dann säe ich neu aus.

Wir wurden zu einer Symbiose.

Denn ohne die Ernte bin ich nichts.

Fick dich, Schneewittchen.

Ich bin ein narzisstischer Kannibale, du der Hauptgang.

| © Mr. Alexithymie.